19. Juli 2014 – Archiv
Bei Gute Zeiten, schlechte Zeiten wird derzeit kräftig die Regenbogenfahne geschwenkt, und das nicht nur im übertragenen Sinn. In einer aktuellen Storyline protestiert das frisch verliebte Pärchen Anni & Jasmin gegen einen homophoben Optiker, der sich in ihrer Nachbarschaft niederlassen will. Die Botschaft, die mit der Geschichte vermittelt werden soll, ist deutlich: Homophobie hat in der GZSZ-Welt nichts zu suchen.
Sie hätten es sich einfach machen können bei GZSZ. Nach dem soaptypischen, monatelangen Hin und Her zwischen Tontechnikerin Anni und ihrer Mitbewohnerin Jasmin hätten sie die beiden Frauen, nachdem sie nun endlich ein Paar sind, einfach für eine Weile ihr Liebesglück genießen lassen können, knutschend in der Kneipe “Vereinsheim”, mehr als nur knutschend im Club “Mauerwerk” oder kuschelnd in ihrer WG. Den meisten Fans hätte das erst einmal völlig gereicht und bei GZSZ hätte man endlich wieder die obligatorische Soap-Homo-Quote erfüllt.
Umso schöner, dass man es sich so einfach offensichtlich nicht machen wollte. Stattdessen können die Zuschauer bei GZSZ derzeit sehen, was neben Liebe und Zärtlichkeit leider auch zum Leben eines lesbischen Paares gehören kann: Diskriminierung und Homophobie.
Denn nicht alle im Umfeld von Anni und Jasmin gehen entspannt und vor allem respektvoll mit der neuen Situation um. Sexistische Sprüche ihres Mitbewohners Mesut sind an der Tagesordnung, in der Bahn werden sie von ein paar Halbstarken obszön angemacht, weil sie sich geküsst haben und der Geschäftsmann Scherf, ein Kunde der PR-Agentur von Jasmins Mutter Katrin, macht in einem Interview aus seiner negativen Einstellung gegenüber Homosexuellen keinen Hehl. Als Jasmin sich daraufhin gemeinsam mit Anni den Protesten gegen Scherf und das von ihm in ihrem Kiez geplante Optikergeschäft anschließt, kommt es zu einem hässlichen Streit mit Katrin, die um ihren Auftrag bangt.
Dass die Geschichte rund um Anni und Jasmin trotz dieser unschönen Szenen dennoch nicht deprimierend, sondern sehr sehenswert ist, liegt zum einen daran, dass die Autorinnen und Autoren nicht vergessen haben, den beiden frisch Verliebten immer mal wieder zuckersüße Momente ins Drehbuch zu schreiben. Zum anderen wird die Storyline genutzt, um mit Vorurteilen aufzuräumen, Aufklärungsarbeit zu leisten und eine klare Position gegen Diskriminierung und Homophobie zu beziehen.
So bekommt Mesut von den Frauen in seinem Leben regelmäßig wegen seiner homophoben Macho-Sprüche den Kopf gewaschen. Spätestens, als er selbst zum Opfer von Diffamierungen wird, weil seine Kumpels ihn aufgrund eines Missverständnisses für schwul halten, sieht er ein, wie wichtig es ist, zu seinen Freunden bzw. in diesem Fall zu seinen Freundinnen zu stehen, wenn diese diskriminiert werden.
Auch Scherf mit seiner “Man wird ja wohl noch sagen dürfen”-Rhetorik bekommt nicht nur von den Demonstranten vor seinem Geschäft Gegenwind. Anni und Jasmin müssen nicht allein gegen die Diskriminierung kämpfen, sondern viele ihrer Freunde und Nachbarn ergreifen für sie Partei und machen deutlich, dass Scherfs Ansichten in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß sind und Homophobie inakzeptabel ist. Letztlich stehen Scherf und auch Katrin, die ihn zwar nicht aus Überzeugung, wohl aber aus wirtschaftlichen Gründen unterstützt, auf verlorenem Posten.
Was die aktuelle Storyline so relevant macht, ist die Tatsache, dass sie an eine bestehende öffentliche Diskussion anknüpft, nämlich die Frage, ob sexuelle Vielfalt Teil des Lehrplans an deutschen Schulen sein soll. Sowohl die Äußerungen von Scherf als auch die Gegenargumente von – unter anderem – Anni, Jasmin, Nele, Bommel, Maren und Sophie hat man so oder in ähnlicher Form in den letzten Monaten in den Medien lesen oder hören können. GZSZ verbindet sie für die Zuschauer mit Figuren, die sie vielleicht schon seit Jahren kennen und lieben und macht die Diskussion damit auch für Personen präsent und greifbar, die sie in den Medien vielleicht nicht verfolgt haben oder sich nicht dafür interessiert haben, weil sie meinen, keine homo-, bi- oder transsexuellen Personen zu kennen. Und wenn die Journalistin Sophie Scherf fragt, wann er sich denn entschlossen habe, heterosexuell zu werden, dürfte auch dem letzten Ignoranten vor dem Bildschirm klar werden, dass Scherfs Argumente gegen Aufklärung, Akzeptanz und Gleichstellung von Vorurteilen geprägt und nicht haltbar sind.
Als UFA SERIAL DRAMA, die Produktionsfirma von GZSZ sowie anderer Daily Soaps wie Unter Uns und Verbotene Liebe, Anfang des Jahres zur Unterstützung des Coming-outs von Unter Uns-Darsteller Lars Steinhöfel die Foto-Aktion “Ich bin JEDER WIE ER WILL” initiierte, habe ich in einem Kommentar zu der Aktion geschrieben, dass man dort doch eigentlich einen viel besseren Hebel habe, etwas für die allgemeine Akzeptanz homosexueller Menschen zu bewirken: nämlich über Geschichten in den jeweiligen Serien. Entsprechend begeistert bin ich von der aktuellen Storyline bei GZSZ und hoffe, dass dies nur der Anfang ist. Angesichts der Absetzung von Verbotene Liebe, wo in den vergangenen Jahren mehr schwule und lesbische Liebesgeschichten erzählt wurden als in den meisten anderen deutschen Vorabendserien zusammen, wäre es schön, wenn eine andere Serie diese Tradition fortsetzen könnte. Vielleicht ja Gute Zeiten, schlechte Zeiten?
Ein guter Anfang wäre jetzt gemacht.