24. Juni 2014 – Archiv
ProfilAgentin Kixka Nebraska über Selbstdarstellung im Netz: „So eine gewisse Verspieltheit darf man sich nicht abtrainieren.“
Soziale Netzwerke spielen bei Jobsuche und Akquise eine immer größere Rolle. Seit 2010 hilft Kixka Nebraska als sogenannte ProfilAgentin insbesondere Freiberuflern und Selbständigen dabei, sich im Dschungel der Online-Profile zurechtzufinden und dabei auch noch einen guten Eindruck zu machen. Im Interview spricht sie über die verschiedenen Möglichkeiten, sich online zu präsentieren, warum Facebook aus ihrer Sicht mühselig ist und wie man überhaupt dazu kommt, als „Agentin im Netz“ tätig zu werden.
Seit 2010 sind Sie als sogenannte ProfilAgentin tätig. Was macht eigentlich eine Profilagentin?
Als Profilagentin berate ich zum einen Menschen, die noch gar keine digitale Heimat im Netz haben, da helfe ich dann beim Profilaufbau. Zum anderen sind das auch Leute, die vielleicht schon ganz lange im Netz unterwegs sind und ganz viele verschiedene Accounts haben, da bin ich dann eher diejenige, die guckt, wie man dort wieder einen roten Faden reinbekommt. Das sind oft vergessene Accounts, da schaue ich dann, ob man die vielleicht lieber löscht oder sie irgendwie mit anderen Accounts zusammenführen kann, um eine gewisse Konsistenz herzustellen. Das sind so die beiden Schwerpunkte.
Und was ist das Ziel dabei?
Meine Kunden sind zum überwiegenden Teil Freiberufler und Selbständige, und denen geht es insbesondere darum, im Netz auffindbar zu sein. Sie wollen von ihrer Zielgruppe entweder besser als vorher oder aber überhaupt gefunden werden und sich dabei nach Möglichkeit auch von den Mitbewerbern unterscheiden. Das ist eigentlich so das Hauptanliegen. Teilweise sind das auch Berufseinsteiger, die bisher zum Beispiel Facebook freizeitmäßig nutzen und jetzt anfangen, sich Gedanken zu machen, was man denn eventuell noch damit machen kann. Ich habe aber eigentlich keine Kunden, die irgendwie wahnsinnig viel auf Partys rumflippen und plötzlich sagen „Jetzt muss ich aber ernsthaft rüberkommen.“ Entscheidend ist für die meisten, im Berufsmarkt irgendwie auffindbar zu werden.
Wie sieht so eine Beratung dann aus?
Das beginnt meistens mit einer Art „Anamnese“, also einem Recherche- und Analyseteil. Ich schaue mir an, was überhaupt an digitalen Profilen vorhanden ist und wo eventuell Baustellen sind. Bei einem Profilaufbau guckt man, welche Profile in welchen Netzwerken überhaupt sinnvoll sind. Da kommt es oft auch darauf an, was in einer Branche üblich ist, was die Mitbewerber machen und wie man das gegebenenfalls toppen kann. Das kann bis hin zur eigenen Webseite gehen. Daraus schnüre ich dann ein Gesamtpaket, das ich dem Kunden in einer Art Workshop präsentiere. Dabei gebe ich dem Kunden aber auch schon konkrete Vorschläge an die Hand, so dass er dann entsprechend die Sachen auch gleich umsetzen kann, beispielsweise welche Bilder verwendet werden sollten, wann und wie oft bei Twitter etwas gepostet werden sollte und mit welcher Tonalität usw.
Was sind denn typische Baustellen, auf die Sie bei der Analyse regelmäßig stoßen?
Das bewegt sich vor allem auf der Ebene der Fotos. Da schaue ich, ob die Profilfotos eigentlich dazu passen, wie ich die Person erlebe, oder ob es da irgendeinen Bruch gibt. Oft gibt es auch Fotos, die einfach gewissen Grundlagen nicht gerecht werden, die zum Beispiel unscharf und einfach sehr unprofessionell sind. Es muss kein vom Fotografen geschossenes Studiobild sein, es kann auch eine sehr gute Privataufnahme sein, aber die sollte auf jeden Fall scharf sein und es sollte ein Bild mit Ausstrahlung sein. Einfach irgendein Bild vor einer Wand, wo dann im Hintergrund Trockenblumen oder Heizungsrohre zu sehen sind, das funktioniert halt nicht so gut. Es funktioniert irgendwie, aber nicht gut. Ein richtig gutes Bild ist was anderes.
Hängt das vielleicht auch von der Branche ab, in der der Kunde tätig ist?
Natürlich. Kreative haben da etwas mehr Freiheiten. Ein Berater zum Beispiel kann natürlich kein völlig ausgeflipptes Bild nehmen. Aber innerhalb dessen, was da möglich ist, muss man eben auch kein ganz streng konservatives Bild nehmen, wie dieses Einheitsbild, was man bei XING oft sieht, dieses klassische Bewerbungsfoto in Anzug und Krawatte und schräg nach vorne gelächelt. Das kann man auch ein bisschen anders machen.
Welches sind die Netzwerke, in denen „man“ aus Ihrer Sicht vertreten sein sollte?
Auch das kommt natürlich ganz darauf an, in welchem Bereich man tätig ist. Für alles, was in Richtung Wirtschaft geht, für den kaufmännischen Bereich, ist XING nach wie vor eine gute Basis, weil die Profile gut über Suchmaschinen auffindbar sind. Das ist dann wie ein Telefonbucheintrag. Dabei muss es nicht einmal ein Premium-Account sein. Wichtig ist nur, dass es natürlich öffentlich einsehbar und „googlebar“ sein muss.
Und im kreativen Bereich?
Im kreativen Bereich gibt es andere Möglichkeiten wie beispielsweise Pinterest oder eine eigene Facebook-Seite, wobei das inzwischen leider deutlich mehr Aufwand ist als früher. Da würde ich dann nicht sagen, dass XING Basissatz wäre. In den meisten Fällen, auch unabhängig von der Branche, würde ich sowieso eine eigene Webseite als sogenannte „Homebase“ unabhängig von den Plattformen empfehlen.
Schließt das aus Ihrer Sicht auch einen Blog mit ein?
Ich würde gar nicht sagen, dass jeder bloggen muss, auch wenn es da derzeit so eine gewisse „Heilserwartung“ gibt. Eine sehr gute Homepage, die insbesondere dahingehend gut durchdacht ist, was die Besucher auf der Homepage finden wollen, ist wahrscheinlich für die meisten Leuten besser als wenn sie anfangen, euphorisch zu bloggen und nach zwei Monaten liegt das alles wieder brach.
Bloggen würde ich nur empfehlen, wenn es genug Stoff zum Erzählen gibt und wenn man sich vorher klar macht, dass man einen langen Atem braucht. Und das ist für viele Leute einfach vom Aufwand her schwer zu bewältigen. Auch für das Blog-Marketing muss man Zeit investieren, das ist ja nicht so, dass man anfängt und die Leute rennen einem die Bude ein. Zudem hat sich auch da vieles in die Netzwerke hinein verlagert. Was früher im Blog in den Kommentaren durchdiskutiert wurde, das wird inzwischen bei Facebook diskutiert, oder bei Google+. Auch deshalb ist es schwierig, heutzutage überhaupt ein neues Blog aufzusetzen. Da braucht man richtig Energie und richtig ein Wollen, und das muss man vorher eindeutig für sich klären.
Sie haben früher selbst gebloggt. Wie sind Sie dazu gekommen, jetzt als ProfilAgentin tätig zu sein?
Das fing bei mir eigentlich mit Qype an. Ich habe Anfang 2008 einen Account angelegt und über ein Freibad geschrieben und gleich Reaktionen bekommen. Ich habe dann weiter geschrieben, aber irgendwann gemerkt, dass ich eher Geschichten erzähle, was eigentlich nicht zu Qype passt, sondern eher in einen Blog. Parallel habe ich angefangen, mich mit dieser ganzen digitalen Szene zu beschäftigen. Ich habe mir diese ganzen digitalen Tools wie zum Beispiel WordPress angeguckt und gemerkt, dass mir das Spaß macht und vor allem, wie viel man selbst erreichen kann, ohne programmieren zu können. Das Ganze ist relativ niedrigschwellig, denn diese Tools sind ja alle vorhanden. Man braucht ein bisschen Zeit, um sich damit zu beschäftigen, aber es ist nicht unmöglich, und man kann da wirklich gute Ergebnisse erzielen. Und das fand ich faszinierend.
Mit den Profilgeschichten war es dann eher so, dass ich von anderen Leuten um Rat gefragt wurde und sie mit meinem Feedback sehr zufrieden waren. Ende 2010 habe ich dann entschieden, es einfach mal zu versuchen, und seitdem mache ich das nebenberuflich einen Arbeitstag die Woche und in meiner Freizeit.
Sie befinden sich als Selbständige ja in einer vergleichbaren Situation wie Ihre Kunden. Wie ist es bei Ihnen mit der Auffindbarkeit? Wie werden Kunden auf Sie aufmerksam?
Zum Teil über Interviews, die ich gegeben habe, wie zum Beispiel bei Spiegel Online, oder sie sind über Google auf meiner Webseite gelandet. Außerdem habe ich inzwischen relativ viele Vorträge gehalten und die Präsentationen dazu teilweise auch öffentlich bei Slideshare hochgeladen. Das ist zum Beispiel auch etwas, was ganz gut funktionieren kann. Wer etwas zu sagen hat, wer einen guten Inhalt hat und den optisch und inhaltlich gut aufbereitet hat, kann diese Präsentation öffentlich stellen und so auch auffindbar werden, wenn die Präsentation mit den entsprechenden Suchworten „vertaggt“ ist. In eine aktive Akquise bin ich noch gar nicht eingestiegen, ich wurde tatsächlich bisher immer angesprochen.
Stellen Sie sich vor, eine Studentin oder ein Student kurz vor dem Abschluss des Studiums – sagen wir mal der Medien- und Kommunikationswissenschaft – käme zu Ihnen und würde Sie fragen, wie sie oder er sich als Vorbereitung für den Berufseinstieg auch digital gut aufstellen kann. Was würden Sie ihr oder ihm raten?
Auch da würde ich als Basis tatsächlich zu einem XING-Profil raten. Gerade zu Beginn sollte man da alles aufführen, was man an beruflicher Tätigkeit im weitesten Sinne vorweisen kann, d.h. insbesondere Praktika. Später kann man das dann wieder kürzen, aber gerade für den Berufseinstieg sollte man das mit angeben. Bei XING gibt es inzwischen zudem die Möglichkeit, sich von Leuten, mit denen man zusammengearbeitet hat, bestimmte Kompetenzen bestätigen zu lassen und Referenzen einzuholen. Das ist als Kultur hier in Deutschland noch relativ jung, aber zum Beispiel in den USA total verbreitet und etwas, worauf es in Zukunft wahrscheinlich stärker hinauslaufen wird.
Was ist mit internationalen Netzwerken wie zum Beispiel LinkedIn?
Ein LinkedIn-Profil könnte parallel mit angelegt werden, wenn viele Auslandskontakte da sind. XING wird zwar nach wie vor in Deutschland nicht so schnell ersetzt werden, aber international ist LinkedIn eine der wichtigsten „Selbstdefinitions-Plattformen“. Dabei muss man aber auch daran denken, dass man, wenn man bei XING etwas ändert, dies dann auch bei LinkedIn ändert, um Inkongruenzen zu vermeiden.
Und Facebook? Da ist ja sowieso fast jeder angemeldet.
Bei Facebook bin ich ein bisschen im Zwiespalt. Es ist zum Beispiel wahnsinnig aufwendig, dort eine eigene Seite zu unterhalten und dort auch wahrgenommen zu werden. Seit Facebook die Einstellungen verändert hat, wird nicht mehr alles von allen „Fans“ gesehen. Angenommen du hast 100 Fans, dann sehen das vielleicht inzwischen noch 20. Wobei 100 Fans eigentlich keine relevante Größenordnung ist, aber überhaupt erst einmal so viele Menschen zu finden, die da auf „Gefällt mir“ klicken, das ist sehr, sehr mühselig. Alternativ besteht inzwischen die Möglichkeit, sein privates Profil abonnierbar zu schalten. Das ist zum Beispiel für freie Journalisten auf jeden Fall etwas, das ich eher empfehlen würde. Hinzu kommen diese ganzen Privacy-Geschichten und die Einstellungen, die jedes Mal wieder an einer anderen Stelle sind, und dann noch die ganzen Rechte-Fragen, wenn man Bilder postet, und und und. Außerdem ermöglicht XING es inzwischen auch, Statusmitteilungen zu veröffentlichen, auf die andere Nutzer reagieren können.
Das Wichtigste ist, ein Thema für sich zu finden, auch um die Unterscheidbarkeit von anderen herzustellen. Man braucht ein Thema, bei dem man relativ sicher ist, dass einen das in der ein oder anderen Form auch länger begleitet, damit man seine Kompetenz auch über einen längeren Zeitraum klar machen kann. Dieses Kernthema für sich herauszufinden, das sollte man auch während des Studiums schon ein bisschen im Fokus behalten. Wichtig ist außerdem eine gewisse innere Getriebenheit und eine Lust daran, etwas online zu veröffentlichen, eine Affinität zum Digitalen. Wenn die nicht da ist, wenn man das gegen alle Widerstände macht, das merkt man, das klappt nicht. So eine gewisse Verspieltheit darf man sich nicht abtrainieren.
Das Gespräch führte Meike Lockhorst.
Kixka Nebraska ist „Die ProfilAgentin“. Seit 2010 berät sie insbesondere Freiberufler und Selbständige bei Aufbau und Pflege digitaler Profile. Ihr Name ist ein Pseudonym, das sie gewählt hat, um Kollisionen zwischen der nebenberuflichen Tätigkeit als ProfilAgentin und ihrer hauptberuflichen Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit zu vermeiden. Sie ist Mitgründerin der Digital Media Women, eines Netzwerks von Frauen, die in und mit dem Netz arbeiten.
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